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„Man mischt sich unter die anderen, da vergeht alles, dann merkst du nichts, Kerl.“

aus: Alfred Döblin

Berlin Alexanderplatz

S. 15


1-Satz-Literaturclub 1SLC Judith Niederberger Lakritza Alfred Doeblin Berlin Alexanderplatz

Grafik: Lakritza mithilfe von Midjourney



Quintessenz der Diskussion

Erstellt von Lakritza


«Das isch mir än Kärli!» – wenn meine Mutter das sagt, weiss ich, was sie vom betreffenden Mann hält: nicht viel. «Kerl» im Diminuitiv ist bei ihr definitiv keine positive Aussage.


Die Aufforderung hingegen: «Sei ein ganzer Kerl!», zielt paradoxerweise aufs Gegenteilige ab und will appellativ vom Mannsbild verlangen: Sei stark! Sei ein Held! Stehe deinen Mann! –


Etymologisch betrachtet, stand die Bezeichnung #Kerl im Mittelhochdeutschen für einen «freien Mann».


Unser Kerl hier scheint #frei zu sein: Er kann sich unter andere Menschen mischen, niemand hindert ihn daran. Und doch scheint er sich nicht frei zu fühlen. Vielmehr will er in der Menge #untertauchen – und «nichts mehr merken». Was möchte er #verdrängen: Sein Anders-Sein? –


Jeder Mensch hat die Aufgabe seines Lebens zu lösen, für sich die eigene #Identität zu finden und sich im sozialen Gefüge einzuordnen.


Wir vermuten, dass der «Kerl» hier noch am Anfang seines Werdegangs steht – und sollten recht bekommen: Franz Biberkopf hat noch mehr als 700 Seiten vor sich – einen Weg voll Irrungen und Wirrungen, bis er am Schluss am Alexanderplatz in Berlin ein rechter Kerl geworden sein wird.









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