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„Auch ich freue mich aufrichtig darüber.“

aus: Jane Austin

Northanger Abbey

S. 333


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Grafik: Lakritza mithilfe von Midjourney  



Gedanken zum heutigen Satz

von Tengezar Marînî


In diesem Satz – «Auch ich freue mich aufrichtig darüber.» – verbirgt sich viel, und wenn man ihn zerlegt, offenbart sich seine erstaunliche Vielseitigkeit.


Ich habe den Satz ins Kurdische übertragen und mich intensiv mit seiner Bedeutung auseinandergesetzt. Danach habe ich die gewonnenen Erkenntnisse in deutscher Sprache neu formuliert, indem ich den Satz in seine Einzelteile zerlegt und schliesslich wieder zu einem harmonischen Ganzen zusammengefügt habe.



Annäherung an einen Satz, der sich versteckt

«Auch ich freue mich aufrichtig darüber.»


Manchmal ist der schönste Satz der, der nicht wagt, sich vollständig zu zeigen. Er schlüpft ein wie ein spätes Geständnis, leise und fast schuldbewusst, doch mit einer seltsamen Würde. Fünf kleine Wörter, und doch entfalten sie einen Raum voller unausgesprochener Geschichten.


«Ich freue mich»

Hier beginnt alles mit einer zarten Selbstberührung. Das «Ich» erscheint bescheiden, klein geschrieben, als wolle es sich nicht in den Vordergrund drängen. Doch ist es nicht berührend, wie jemand sich selbst erlaubt, Freude zu empfinden? «Freue mich» – das Verb umarmt sich selbst, es ist eine innere Umarmung, ein Moment, in dem die Seele sich sanft die Hand auf die Schulter legt. Man spürt die Wärme, die sich vorsichtig ausbreitet, als könnte sie jederzeit wieder erlöschen.


«auch»

Ach, dieses kleine «auch». Es ist das zärtlichste der Bindewörter. Es sagt: Ich bin nicht der Erste. Ich komm nach. Ich füge mich ein. Es ist das Wort derjenigen, die nicht im Rampenlicht stehen möchten, sondern lieber im Halbschatten der anderen Freude mitglühen. Ein leises Mitschwingen. Ein «ich bin dabei, auch wenn ihr mich vielleicht gar nicht bemerkt». In diesem «auch» steckt so viel Demut und ebenso viel Sehnsucht nach Zugehörigkeit, dass es das Herz schwer macht.


«aufrichtig»

Und dann kommt dieses grosse, beinahe feierliche Wort, das alles Vorherige in ein neues Licht taucht. «Aufrichtig» – als müsste die Freude sich legitimieren, aus Angst, als Höflichkeitsfloskel abgetan zu werden. Es ist, als legte der Sprecher die Hand aufs Herz und flüsterte: Glaubt mir, es ist echt. Ich lüge nicht. Ich spiele nichts vor. In einer Zeit, in der wir uns gegenseitig misstrauen, sobald jemand «freut mich» sagt, ist dieses «aufrichtig» ein Akt des Mutes. Ein kleines, tapferes Banner der Wahrhaftigkeit.


Und das fehlende «darüber»

Bemerkenswert ist, was nicht gesagt wird. Kein «darüber», kein Fingerzeig auf den Anlass. Die Freude schwebt frei, ohne Anker, ohne Begründung. Sie benötigt keinen Grund, um legitim zu sein. Vielleicht ist der Grund so gross, so überwältigend, dass er sich nicht in Worte fassen lässt. Vielleicht ist es auch eine Freude, die sich schämt, ihren wahren Ursprung zu nennen. Indem der Satz das «darüber» verschweigt, wird er universell. Jeder darf hineininterpretieren, was immer er will: eine Geburt, eine Versöhnung, ein stiller Triumph, eine Liebe, die endlich erwidert wird, oder einfach nur die Erleichterung, erneut atmen zu dürfen.


So steht er da, dieser schmale Satz, nackt und doch voller Kleider aus unausgesprochenem Leben. «Ich freue mich auch aufrichtig.» Er klingt wie jemand, der lange gezögert hat, bevor er den Mut fand, diese Worte auszusprechen. Wie jemand, der weiss, dass Freude zerbrechlich ist, und sie trotzdem, gerade deshalb, laut verkündet.


Und vielleicht ist genau das das Schönste an ihm: dass er nicht triumphiert. Er jubelt nicht. Er flüstert nur, ganz leise, mit zitternder Stimme: Ich darf auch. Ich bin auch dabei. Und es ist wahr.






Danke Riccarda Mecklenburg, für die Moderation und Lakritza aka Judith NIederberger und Jeannette Häsler Daffré für die Co-Moderation auf #clubhouse




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